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Ein Feuer erfasst Russland
„Kaltowitsch ging durch den Central Park, welcher in New York City liegt, und machte sich viele Gedanken über den Ruf Gottes, nach Russland zu gehen. Schließlich ist die politische und wirtschaftliche Situation in der UdSSR katastrophal. Ein Überleben als Musiker mit seiner Familie schien ihm unmöglich. In Gedanken versunken, sah er auf einmal einen Koffer. Er machte ihn auf und entdeckte dort verschiedene Nahrungsmittel. Sofort machte Gott ihm in dem Moment klar, dass er ihn und seine Familie durch die ganze Zeit hindurch versorgen würde."
Was hat nun Kaltowitsch mit Voronaev zu tun und warum spielt sich die Situation in den USA ab, obwohl doch die richtige Erweckung in der Ukraine begann?
Lauf! Lauf!
Die Geschichte begann mit der Geburt Voronaevs am 16.04.1885 in der Provinz Orenburg, welche in der Nähe zum heutigen Kasachstan liegt. Sein ursprünglicher Name lautete übrigens Nikita Petrowitsch Tscherkassow. Er war Sohn einer reichen Bauernfamilie, schloss sein Abitur ab und entschied sich mit 21 Jahren für eine Offizierslaufbahn. Der ursprünglich geplante Weg wurde jedoch durch seine Bekehrung am 12.08.1907 und die darauffolgende Wassertaufe innerhalb einer Woche radikal geändert. Als bekennender Baptist verweigerte er den Wehrdienst und wurde somit vor ein Militärtribunal gestellt. Ihm blühten entweder der Tod durch Erschießung oder 25 Jahre Straflager.
Kein Zurück
Auf den Befehl Gottes hin floh Voronaev jedoch im April 1908, er sollte in den kommenden fünf Jahren immer unterwegs sein. Kurz nach seiner Flucht heiratete er Ekaterina Baschkirova. Einige Zeit später, denn damals enthielten die Pässe noch keine Bilder, erhielt der Flüchtende den Pass eines Baptistenbruders mit dem Nachnamen Voropaev. Durch eine kleine Änderung des Nachnamens bekam der zukünftige Begründer der russischen Pfingstbewegung eine neue Identität. Von Aserbaidschan über Sibirien, durch China bis hin nach Japan musste Voronaev flüchten. Ihm wurde klar, dass er sich nicht mehr länger in Russland aufhalten konnte. Die Ausreise in die USA stand an. Schon während seiner Flucht war er an zwei Gemeindegründungen beteiligt und in Baptistenkreisen kein unbekannter Name, da sein Predigerdienst schon früh als „segensreich" wahrgenommen wurde.
Wenn Gott beruft
Von 1912 bis 1915 besuchte Voronaev eine der besten Bibelschulen im Land: Berkeley, San Francisco. Nach seinem gründlichen Theologiestudium wurde er von den Baptisten mit 30 Jahren als Pastor ordiniert. Er kam mit der Pfingstlehre zum ersten Mal durch den Pfingstpastor Williams in Berührung, als er als Pastor in Seattle diente. Nach Stationen in Los Angeles und Seattle war er zuletzt in New York City, in einer Baptistengemeinde, tätig. 1919 wurde seine älteste Tochter Vera durch die Nachbarin Annie Syretz zu einem Pfingstgottesdienst eingeladen. Daraufhin wurde Vera, wie anschließend auch ihre Mutter Ekaterina, geistgetauft. Als Voronaev dies mitbekam, verbrachte er im Anschluss drei Monate mit der Forschung bezüglich der Geistestaufe. Anschließend erlebte auch er die Taufe des Heiligen Geistes, mit der Begleiterscheinung der Zungensprache.
Daraufhin wurde er aus Baptistenkreisen ausgeschlossen und gründete 1920 die erste russische Pfingstgemeinde. Innerhalb kürzester Zeit wurden bis zu 20 Gemeinden gegründet, die als Verbund eine Einheit bildeten, von der Voronaev als Vorsitzender gewählt wurde. Diese Union stand der amerikanischen Pfingstbruderschaft „Assemblies of God" sehr nahe.
Noch im Jahr 1920 wurde Voronaev, konkret durch Gott, nach Russland gerufen. Kurze Zeit später wurde auch Kaltowitsch, der aus Weißrussland in die USA einreiste, von Gott beauftragt, Voronaev zu begleiten. Am 15.07.1920 begann die Ausreise nach Konstantinopel, in die heutige Türkei.
Insgesamt ein Jahr dauerte es, bis dem Team die Einreise nach Odessa, Ukraine, gewährt wurde. In dieser Zeit übernahm Voronaev die Fußwaschung von den Adventisten und gründete innerhalb von neun Monaten in Bulgarien 18 Pfingstgemeinden, die teilweise noch heute bestehen.
Die Erweckung nimmt ihren Lauf
Innerhalb von achteinhalb Jahren wurden 500 Gemeinden, mit einer Gesamtmitgliederanzahl von 25.000 Personen, gegründet. Im Vergleich dazu gibt es heute, nach ca. 50-jährigem Bestehen der BFECG, in Deutschland über 100 Gemeinden mit einer Mitgliederanzahl von ungefähr 30.000 Personen. Wie konnte es zu diesem einmaligen Ereignis kommen? Was waren die Faktoren dafür?
Zuallererst ist dieses Vorkommnis dem Wirken des Heiligen Geistes zuzuschreiben. Denn sonst könnten es allein menschliche Kräfte niemals erreichen, eine solche Erweckung in Gang zu setzen. Neben dem starken Wirken des Geistes gab es aber trotzdem auch menschliche Faktoren, die zu diesem Ereignis beigetragen haben könnten:
Der größte Faktor war die Vision von Voronaev. Als Leiter der Erweckungsbewegung hatte er das Ziel, ganz Russland für die Pfingstlehre zu gewinnen. Dass dies nicht nur ein großer Traum war, zeigt die Tatsache, dass schon sieben Jahre später, bei dem zweiten Allukrainischen Kongress (09.10.-12.10.1927), die „Allsowjetische Union der Christen evangelischen Glaubens" gegründet wurde. Tatsächlich erfasste die Pfingstbewegung ganz Russland in kürzester Zeit.
Daher wurde auch der Schwerpunkt sehr eindeutig auf den Bereich „Mission und Evangelisation" gelegt. Dass dies nicht nur bloße Theorie war, zeigt der heute noch erhaltene Finanzbericht. Über 80% der eigenen Einnahmen wurden für die Evangelisation ausgegeben. 1927 wurden 25 hauptberufliche Unionsevangelisten finanziert, die trotz der Unterstützung am Rande des Existenzminimums lebten.
Die Pfingstgemeinden erhielten auch deutlichen Zulauf aus anderen Freikirchen. Besonders viele Baptisten wechselten zu den neu entstehenden Pfingstgemeinden. Teilweise verließen alle Mitglieder einer Baptistenkirche eine Gemeinde bzw. wurden ausgeschlossen, sodass eine ganze Baptistengemeinde zu einer Pfingstgemeinde wurde. Zudem kehrten viele Russen wieder von Amerika in die UdSSR zurück und brachten die Pfingstlehre in ihre Heimat. Denn 1906 begann unter William Seymour die Pfingstbewegung in der Azusa Street in Los Angeles, die jedoch nach drei Jahren wieder radikal abflachte.
Vor allem aber: In Russland machte die schwere politische und wirtschaftliche Lage die Menschen empfänglicher für das Evangelium. Es war nun der richtige Zeitpunkt, den Gott auserwählte, um Voronaev nach Odessa zu senden.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Dass Voronaev und die übrigen Brüder auch nur Menschen waren, sieht man an der Entscheidung, wie man mit der Wehrdienstfrage umgehen sollte. Die Frage kam auf, als 1926 das Dekret über die Befreiung vom Wehrdienst wegen religiöser Überzeugung aufgehoben wurde. Nach langen Diskussionen entschied der Rat, der 200 Personen umfasste, Folgendes:
„Der Kongress macht eine Warnung an die Brüder aus unserer Union, dass alle, die der Meinung sind, dass man nicht mit der Waffe dienen muss, es falsch auslegen und eine Illoyalität zur russischen Macht zeigen. Sie sind nicht würdig, sich Christen zu nennen. Sie werden aus unserer Reihe ausgeschlossen."
Begründet wurde diese Entscheidung mit Tit. 3,1: „Erinnere sie, staatlichen Gewalten und Mächten untertan zu sein, Gehorsam zu leisten, zu jedem guten Werk bereit zu sein."
Aus heutiger Sicht mag diese Entscheidung kaum nachvollziehbar sein. Auch Assemblies of God hatte sich, Voronaevs Entscheidung gegenüber, sehr negativ geäußert. Doch die Entscheidung stand fest. Ein Erklärungsversuch für die Ansicht des Rates könnte sein, dass man durch diese Entscheidung die Loyalität zum Vaterland zeigen wollte und dadurch die Zeit der Freiheit und die Möglichkeit zur Evangelisation zu verlängern suchte.
Doch der Plan ging nicht auf. Mit dem Dienstantritt Stalins begann eine brutale Verfolgungswelle.
Die Zeit ist vorbei
Am 07.01.1930 wurde Voronaev mit anderen Pastoren verhaftet und am 02.11.1937 mit 52 Jahren erschossen. Seine Frau Ekaterina verhaftete man am 10.03.1933. Sie durchlitt eine 24 Jahre lange Haftstrafe. Von den sieben Kindern sind mittlerweile nur sechs am Leben. Drei Söhne konnten in die USA ausreisen; aber auch der älteste Sohn wurde verhaftet. Der jüngste Sohn und eine Tochter wuchsen ohne den Vater und die Mutter auf. Mithilfe von Pfingstlern schafften sie es, im Jahr 1939 über Estland in die USA auszureisen.
Durch die unermüdliche Tätigkeit von Paul Voronaev wurde, wie durch ein Wunder, seine Mutter freigelassen. Sie durfte 1960 in die USA ausreisen, um ihre Kinder noch einmal zu sehen. Fünf Jahre später, im Jahr 1965, starb sie eines natürlichen Todes.
Was wir lernen können
Was wir von Ivan Voronaev lernen können, ist in allererster Linie die Hingabe und Opferbereitschaft. Ohne diese zwei „Ausrüstungsgegenstände“ kann Gott keinen Menschen in seinem Erntefeld gebrauchen. Voronaev war bereit, Gott bedingungslos zu gehorchen, als es darauf ankam. Und: Reibungslose Organisation und Genauigkeit in allen Dingen, auch in den juristischen Fragen, waren für ihn sehr wichtig.
Am meisten können wir, die Jugendlichen, von seiner Vision und seinem Bestreben, Seelen für Christus zu gewinnen, lernen und uns davon inspirieren lassen. Nach Apg. 1,8 sollten wir den Heiligen Geist aus missionarischer Sicht sehen: „aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“
Das bedeutet, dass Gottes Geist uns auch unter anderem dafür gegeben wurde, um wirksame Zeugen für Christus zu sein. Nicht nur in unserer Stadt, sondern auch in der ganzen Welt. Auch Voronaevs gründliches Studium im Wort Gottes ist für uns ein lehrendes Vorbild. Kein Halbwissen, keine Oberflächlichkeit, sondern ein exaktes Wissen, ein Gegründet-Sein im Wort Gottes. Das kann der Heilige Geist, und können vor allem auch wir selbst, gebrauchen.
Letztendlich aber ist es immer noch das Privileg des Heiligen Geistes, das Gewissen von Menschen zu überführen. Mögen wir dafür beten, dass auch in unserer heutigen Zeit Gott mehr und mehr Menschen zur Buße führt, denn gerade der Bereich „Evangelisation" soll durch Gottes Hilfe in unserer Gemeinde stärker wachsen.